Nachdem jetzt auch mein dritter Anlauf einen kleinen, vorsichtigen Spaziergang zu machen von einem Hagelschauer vermasselt wurde, resigniere ich. Vielleicht soll es einfach nicht sein. Mein kaputtes Bein darf ja noch immer nicht belastet werden, aber es soll eben auch nicht einrosten. Gar nicht so einfach.
Stattdessen habe ich es mir unter’m Dach in meiner Kreativzentrale gemütlich gemacht, beobachte den Schnee, abgewechselt mit strahlendem Sonnenschein, Hagelschauern und einfach nur Wind. Kerzen brennen, Gedanken schweifen.
Dieses Wetter passt ziemlich gut zur aktuellen Gemütslage. Mal geht man hochmotiviert neue Dinge an, schreibt Songs, die einen bewegen, berühren, elektrisieren und fesseln. Man taucht ein in die lodernde Phantasie, die die Kreativität am Leben hält, kann kaum an sich halten, es der ganzen Welt zu erzählen und rausposaunen zu wollen, was man wieder Tolles gemacht hat. In diesen Momenten hat man das absolute, nicht infrage zu stellende Urvertrauen, dass alles wieder anders und vor allen Dingen gut wird. Ja, alles wird gut.
Und dann schießt sie sich leise schleichend, fast stumm von hinten durch die Brust, sticht ins Herz und wird mit jedem Pulsschlag immer weiter, bis in die letzte Faser des Körpers verbreitet: Diese verfluchte Melancholie, die ich einerseits unheimlich brauche, um zu sein, wer ich bin. Die ich aber an trüben Tagen gerne zur Hölle schicken würde, weil sie das Licht am Ende des Tunnels nur als viel zu schnell rasenden, entgegenkommenden Zug enttarnt.
Ein gutes Jahr schwebe ich (und klar, viele andere Leute auch!) jetzt nun schon von Tag zu Tag. Tolle Projekte konnte ich realisieren, Songs aufnehmen, ne richtig geile Jubiläumsbox rausbringen und viele, viele Ideen verwirklichen. Ja, mir geht’s echt gut. Und ich wertschätze das sehr. Und im Grunde ist es ja noch immer so: Die letzte Single „Spökes“ habt ihr super gefeiert, die nächste Single „Wo die Liebe es“ steht schon in den Startlöchern. Ein Jahresplan mit tollen Ideen rund um die Veröffentlichung meiner weiteren neuen Songs steht ebenfalls. Außerdem gibt’s am kommenden Freitag meine erste eigene Radiosendung „Leeder, die verzälle“ auf altstadtwelle.de und das ein oder andere Vorhaben schwebt auch noch irgendwo im Heuser’schen Hinterkopf rum.
Aber manchmal fällt es einfach schwer, sich aufzuraffen. Ich sehe eine Menge Erinnerungsstücke, Fotos und Plakate in meinen Kreativräumen, die die vielen extrem emotionalen Momente der letzten Jahre zeigen und mich erinnern lassen, was für eine gigantische Zeit ich erleben durfte. Ich möchte sie nicht wehmütig anschauen, sondern dankbar. In der Regel gelingt dies gut, allerdings nicht immer.
Was gäbe ich dafür, wenn mich gleich mein geliebter, blauer Tourbus mit meiner Crew abholen würde, wir durch den sonst so verfluchten, jetzt allerdings fast schon herbeigesehnten Kölner Berufsverkehr irgendwohin führen, wo viele Menschen auf mich warteten, um mit mir zu singen. „Jetz sin mer all widder he“ wäre vermutlich die erste Zeile, die ich singen würde. Oder „Et es Friedaachovend“, oder Diensdaachovend, oder Mettwoch oder wat och immer för ene Ovend. Hauptsache es ist ein Abend. Einer, an dem man zusammenkommt und eine gute, gemeinsame Zeit hat. Wie selbstverständlich das doch alles war!
Und klar, irgendwann werde ich wieder auf einer Bühne stehen. Irgendwann wird wieder gesungen. Bis dahin scheint auch sicherlich wieder die Sonne etwas konstanter als heute. Vielleicht färben sich die Blätter bis dahin auch nochmal braun und fallen im schlimmsten Fall auch nochmal von den Bäumen. Eins ist jedenfalls sicher: Das Aprilwetter im Kopf und in der Seele bleibt bis dahin bestehen, auch wenn dann lange kein April mehr ist. Damit muss ich wohl leben.
Ist da irgendjemand da draussen, der/die genauso fühlt?
Ich gucke noch was aus dem Fenster.
Bis bald an dieser Stelle, haltet durch,
üre
Björn
Foto: Costa Belibasakis