Je mehr Abstand man von etwas hat, desto besser kann man es wertschätzen. Lieder über Heimweh beispielsweise schreiben sich am besten, wenn man gerade nicht in der Heimat ist. So ist es zumindest bei mir.
Und überhaupt, ist es bei euch auch oft so, dass ihr euch die Frage stellt:
Warum will man immer das, was man gerade nicht hat?
In einem meiner Lieblingssongs aus der Heuser’schen „25 Jahre Jubiläumsbox“ schrieb ich einst:
„Ich han Fäänwieh doheim, Heimwieh ungerwääs,
lijje nächtelang wach im Bett.
Fäänwieh doheim, Heimwieh ungerwääs,
woröm will mer immer dat, wat mer jrad nit hätt?“
Auch jetzt sitze ich wieder mal in einem fremden Land, habe mir eine Auszeit genommen, um ne Menge Schreibarbeit zu erledigen, zu der ich zu Hause nicht kommen würde. Und wieder ist es da, dieses Gefühl: Ja, ich brauche und will die Ruhe – ich kann nur vernünftig schreiben, wenn ich alleine bin. Aber ebenso: Ja, wo sind sie denn jetzt alle hin? Ohne Gespräche, Input, aus Tagträumen geweckt und abgelenkt zu werden, kommt manchmal auch einfach so der Blues um die Ecke. Ich kann es mir einfach nicht recht machen!
Diesen mir nicht unbekannten inneren Zwist versuche ich aber nun in echte Energie umzuwandeln, indem ich mir wieder mal vornehme, achtsamer zu sein, nicht zu viel an morgen und gestern zu denken, den Moment und die Ruhe zu genießen, mich aber ebenso auf zu Hause und meine Lieben zu freuen. Das Gedankenkarussell sich einfach mal etwas langsamer drehen zu lassen, vielleicht sogar mal kurz auszusteigen und entspannt ein Aperölchen am See zu trinken, bevor die wilde Fahrt wieder weitergeht. Auf Knopfdruck geht sowas nicht, aber daran zu arbeiten macht manchmal sogar echt Spaß!
Denn dann hat der Blues keine Chance! Außer der von meinen Lieblingsplaylisten – und der tut richtig gut! Und wenn man diese Listen hören kann, während man die Aussicht genießt, handelt es sich glaube ich um das, was neudeutsch immer wieder als „Quality time“ bezeichnet wird. Ich könnte es hier und jetzt auch „Blue(s) mountains“ nennen. In dem Fall würde ich sogar die englische Bezeichnung bevorzugen, denn sonst könnte es sein, dass sich für den Rest des Tages ein Ohrwurm manifestiert, auf den man gut verzichten kann: „Von den blauen Bergen kommen wir…“
In diesem Sinne, ich steig aus und setz mich an den See. Tschö!
Üre Björn