Es gibt kaum einen Auftritt, bei dem dieses Lied nicht im Zugabenblock vorkommt. Es gibt kaum ein Lied, welches mich selbst auch nach tausenden Auftritten jedes Mal so berührt. Es gibt kaum einen Song, der so viel mehr ist, als ein Song. Die Rede ist von „En unserem Veedel“, welches unsere Bläck Fööss in den Siebzigern geschrieben und zum Soundtrack von Generationen in der Domstadt gemacht haben. Dieses Jahr wird die Nummer satte fünfzig Jahre alt. Wird Zeit, mal drüber nachzudenken, wieviel Veedel noch im Veedel steckt.
Als (vor gut zehn Jahren zugezogener) Bickendorfer kann ich nur sagen, dass ich wirklich Glück hatte, hier zu landen und ziemlich sicher werde ich auch meinen Lebensabend hier verbringen. Hier gibt es noch das vielleicht etwas veraltete und romantisierte Bild des „Veedels“: Metzger, Bäcker, Buchladen, Kneipen, Cafés, Apotheke und sogar einen Computerladen – alles öm de Eck! Man kennt sich, man hilft sich. Es ist kein Geheimnis, wer welches Auto fährt. Und wenn mal eines im Weg steht, weiß man, wo man klingeln muss. Die Pänz aus dem Veedel kennt man ebenso. Es werden immer mehr, und das ist gut so. Ja, es ist schon idyllisch hier. Ich liebe es!
Die Solidarität, die nach der Flutkatastrophe überall im Land zu spüren war, gab es hier im Kleinen auch ganz besonders gut zu spüren. Hier hat wirklich jeder jedem geholfen – man saß fast sprichwörtlich in einem Boot. Es war egal, wie man sonst zueinandersteht: Wenn Not am Mann oder an der Frau ist, springt man auch über Schatten. Das war eine wunderbare Erfahrung, und ich würde mir noch viel mehr solcher menschlichen Momente wünschen. Am allerliebsten natürlich ohne Flut oder andere Katastrophen. Einfach lieb sein, auch ohne Grund. Respekt zeigen, zollen und annehmen. „Denn he hält mer zosamme.“
Gleichzeitig sehe ich aber auch eine Herausforderung. Viele alte Einheimische sterben aus, neue Familien kommen dazu, und hier und da merkt man, dass vielleicht gar nicht alle Leute hier Bock auf ein offenes, sympathisches Veedel haben. Total schade! Manche „von denen“ wollen oder können sich vielleicht nicht integrieren – manche „von uns“ haben vielleicht keinen Bock auf neue Nachbarn. Jedes Individuum bereichert die Gesellschaft, jeder Mensch ist etwas Besonderes. Aber zusammen erreicht man eben mehr! Ich versuche immer dazu zu animieren, die Hände auszustrecken und Mitmenschen mit offenen Armen zu begrüßen. Ein Lächeln als Entrée ist meiner Meinung nach immer charmanter, als der skeptische Blick. Der kommt von selbst wieder ins Spiel, wenn das Lächeln ausgenutzt wurde.
Ist es zu naiv, dass ich denke, dass sich am Ende alles irgendwie ausgleicht und Karma ne Menge regelt? Keine Ahnung, aber ich glaube dran. Denn das beruhigt.
„Ejal, wat och passeet“ – ganz egal? Vielleicht nicht, aber positiv ans Thema rangehen, hat sicherlich noch nie geschadet.
In diesem Sinne, schöne Jröß us Bickendorf – mer sinn uns am Büdche,
üre Björn