9. November 1992. Zigtausende Menschen auf dem Chlodwigplatz. Vermutlich eines der größten und beeindruckendsten Zeichen dieser Stadt gegen Nazis und Ausländerhass. Leider nach einer Anschlagsserie aus besonders gutem und wichtigen Grund.
Ein paar Veedel weiter, in Ehrenfeld, ein zehnjähriger Junge, in dessen Welt noch kein Platz war für Hass, Ausgrenzung und Respektlosigkeit. Waren wir nicht alle gleich? Und doch spürte ich schon damals, dass mich etwas zu dieser Kundgebung hinzog. Irgendetwas Wichtiges und Besonderes musste dort passieren, sonst würden ja nicht so unfassbar viele Bekannte und Freunde in die Südstadt pilgern.
Aber ich war zu klein und jung. Ich durfte nicht zum Chlodwigplatz.
Als ich reifer wurde und mich intensiver mit der AG Arsch huh, den Alben, Büchern und Zeitungsartikeln befasst habe, dämmerte mir so langsam, dass das wohl kein einmaliges Konzert gewesen sein konnte. Es ist wohl mehr so eine Art „Lebensthema“. Arsch huh hat mich in meiner Entwicklung meiner politischen und gesellschaftlichen Werte massiv beeinflusst und auf meinen persönlichen Weg gebracht. Da bin ich noch heute extrem dankbar für, weil es so wertvoll ist.
Jetzt, dreißig Jahre später, ist die AG Arsch huh noch immer Teil meines Lebens. Seit einigen Jahren darf ich sogar aktiv im Verein mitarbeiten und stand schon bei manchen Gelegenheiten in den unterschiedlichsten Veedeln und Konstellationen auf der Bühne. Veedelsfeste in sogenannten Brennpunkten, gute Gespräche neben und hinter der Bühne, außerdem eine tolle Veranstaltung im Stadtgarten, wo ich gemeinsam mit Tommy Engel im Duett „En unserem Veedel“ und mit der grandiosen Arsch huh-Band und dem Who is Who der kölschen Szene die entsprechende Hymne aus der Feder von Nikitakis/Niedecken singen durfte. Das sind Momente, die bleiben. Das sind Momente, für die ich unsagbar dankbar bin.
Zum großen Jubiläum erscheint ein neues Arsch huh-Album mit dreißig Songs. Auf Vinyl, CD und digital. Und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ich bin, dass ich einen Song beisteuern durfte. „Minsche“ habe ich im Frühjahr mit Ralf Hahn in seinem Studio in Bergisch Gladbach produziert, und der Text spricht mir nach wie vor aus der Seele. Vermutlich sind die beiden wichtigsten Zeilen aus verzweifelter Naivität entstanden: „Sulang ruude Ruse blöhe un wieße Duuve fleje, stirv die Hoffnung zoletz!“
So ist es doch wirklich, oder? Ich finde schon. Am Ende wird hoffentlich alles gut, sonst ist es nicht das Ende.
Live darf ich bei der großen Kundgebung in der LanxessArena auch dabei sein am 10. November (übrigens auch live im WDR-Fernsehen). Eine riesige Ehre. Gleichzeitig eine besondere Verpflichtung, in dieser Stadt felsenfest hinter einem Grundsatz zu stehen, den ich auch im schlimmsten Sturm verteidige.
Also, ich hoffe ihr zeigt auch Flagge, bekommt den Arsch huh un de Zäng ussenander!
Üre
Björn