Der Wecker klingelte um 3:30 Uhr und es ist lange her, dass ich um so eine frühe Uhrzeit aufstehen musste. Normalerweise kam ich eher um diese Zeit nach Hause, als dass ich das Haus hätte verlassen müssen. Aber auch das ist jetzt bekanntlich schon länger her.
Um 5 Uhr war Drehbeginn und Treffpunkt an den Poller Wiesen, wo ich für die kommende Single „Sunnesching“ ein schönes, atmosphärisches Video mit dem Sonnenaufgang über Köln drehen wollte. Das Kamerateam der Kölner Produktionsfirma VIMABU hat alles perfekt vorbereitet, ein schönes Plätzchen war schnell gefunden, das Team war sehr engagiert und sympathisch, das Einzige was fehlte war: Sonne. Trotzdem haben wir ein paar Szenen gedreht, und je länger ich drüber nachdachte, desto besser passte der bedeckte Himmel zum Song.
Ich sehe mich noch an einem großen Gartentisch in einem wunderbar eingerichteten Ferienhaus in Norddeich, wo ich im Sommer des ersten Corona-Jahres 2020 eine tolle „Auszeit in der Auszeit“ mit meiner Familie verbringen durfte. Da ich immer eine Gitarre dabeihabe und auf der Suche nach neuen Songs bin, nutzte ich auch im Urlaub jede Chance – zwischen mit dem Sohnemann Sandburg bauen am Strand und Eisenbahn spielen im Wintergarten – zu schauen, ob irgendwas aus mir herausfließen und auf dem Papier landen wollte. Oft werde ich inspiriert durch Sprüche-Postkarten oder diese kleinen Sprüche-Bildchen bei Facebook und Co. So war es auch in diesem Fall. Wie der Ursprungsspruch genau aussah, weiß ich gar nicht mehr genau. Ich glaube, dass es da auch sehr viele Varianten gibt. Jedenfalls fand ich die Kernaussage sehr wahr und berührend: „Wer im Regen nicht mit dir tanzt, wird auch im Sturm nicht bei dir sein. Denjenigen brauchst du dann auch nicht im Sonnenschein.“
Nach ein paar Wortschiebereien und der Übersetzung ins Kölsche, stand der Refrain sehr schnell fest. Besonders liebe ich meine Familie dafür, dass ich in solchen Momenten – die Songs kommen ja meistens aus dem Nichts angeflogen ohne Vorwarnung – meine Ruhe haben und einfach nur schreiben darf. Das dauert auch selten länger als ne knappe Stunde. Also überlegte ich, wie man so eine Story aufziehen kann. Es lag nahe, dass es ein Love-Song hätte werden können. Aber im Grunde gab der Refrain viel mehr her. Da konnte ich mehr rauskitzeln.
Und so entstand mit „Sunnesching“ ein Song über etwas sehr Wertvolles: Freundschaft. Bedingungslose Freundschaft. Treue. Durch dick und dünn gehen, egal wie hoch der Berg und wie tief das Tal danach ist. Verlässliche Bindungen. Vertrauen. Themen, über die ich in meinen wilden Zwanzigern sicherlich nicht geschrieben hätte, weil es damals oft nur auf die Zwölf und mit Vollgas geradeaus ging. Heute wertschätze ich sehr, dass ich wenige, aber dafür gute Freunde habe. Das macht mich glücklich und trägt mich durch meine nicht zu verschleiernde Melancholie.
Kurz nach der Ankunft in Kölle, habe ich mich in meine Kreativzentrale unters Dach verkrochen und ein erstes Demo des Songs aufgenommen. Es sollte eine atmosphärische Ballade werden, die nicht belanglos daher fließt, aber eben auch nicht mit erhobenem Zeigefinger mahnt. Die ersten Gehversuche eines neuen Song-Babys sind meiner Meinung nach immer die entscheidenden. Einen Song vom Papier aus hörbar zu machen, hat immer mit der Magie des Momentes zu tun. Bei „Sunnesching“ war es in besonderem Maße magisch, denn das Demo spiegelte unmissverständlich meine Idee der Stimmung des Werkes wider. Sogar so extrem, dass wir meine Gesangstracks und mein Rhodes-E-Piano gleich für die finale Produktion übernommen, und gar nicht mehr neu aufgenommen haben. Das passiert eher selten. Aber ich hätte es einfach nicht noch einmal in dieser magischen Stimmung im „richtigen“ Studio reproduzieren können. Et es, wie et es.
Und so saß ich auf den Poller Wiesen, leicht übermüdet aber hochmotiviert, schaute in den bedeckten Himmel und wusste, auch hier möchte ich den magischen Moment – das JETZT – genießen und mitnehmen, irgendwie festhalten für die Ewigkeit. Ja, es hätte eigentlich nicht besser kommen können. Für den Dreh, für den Song, überhaupt eigentlich für alles.
So wird aus bedingungsloser Freundschaft bedingungslose Dankbarkeit.
Auf der Rückfahrt vom Dreh nach Hause blinzelte die Sonne dann doch durch die Wolken. Als hätte sie es gewusst.
„Sunnesching“ erscheint Mitte Juni 2021 als Online-Single und wird natürlich auch auf dem nächsten Album zu hören sein. Daran arbeiten wir übrigens gerade extrem viel und gerne – es wird etwas ganz Besonderes. Mehr dazu später an dieser Stelle.
Haltet durch,
üre
Björn
Foto: Felix Hanebeck / VIMABU